INTERVIEW MIT FINN-OLE HEINRICH

Was bewegt dich am Schreiben?
Das Schöne ist, dass ich mich so viel mit meinen eigenen Fragen und Themen beschäftigen kann. Das sind natürlich immer andere. Dementsprechend bewegen mich da jedes Mal andere Sachen. Bewegend ist in jedem Fall, dass ich mich schreibend mit dieser Welt auseinander und in Verbindung setze.

Wie funktioniert dein Schreibprozess?
Schwer zu sagen. Großes Wort: Schreibprozess. Funktionieren ist auch ein problematischer Begriff. Oft funktioniert da gar nichts. Ich problematisiere und zweifele sehr viel, begebe mich auf Um- und Abwege, probiere rum, denke um und neu, verwerfe, überlege, könnte mich selbst an die Wand klatschen, halte mich für dämlich und unbegabt… Im Grunde ist es ein ständiges Scheitern und Nicht-Aufgeben-Wollen. Eine Übung in Disziplin und Demut, durchsetzt von wenigen Momenten der Erleichterung, der Selbstüberschätzung und der Zufriedenheit. Ganz, ganz selten: großes Glück und die tiefste Form der Befriedigung. Seltsames Ding, dieser Schreibprozess.

Woher nimmst du dir die Schreibideen?
Aus‘m Kopp. Oder nein: aus der Welt. Nein: aus dem Spannungsfeld genau dazwischen.

Welche Bedeutung hat der Text “Helm Auf” für dich?
Es ist ein für meine Verhältnisse recht persönlicher Text. Er knüpft an ein Gefühl aus meiner Kindheit an. Das Gefühl, allein gelassen zu sein, der Willkür der Erwachsenen ausgesetzt und darauf irgendwie antworten zu wollen, mit allen Mitteln, die mir als Kind zur Verfügung stehen. Natürlich ist mir diese Geschichte so nicht passiert, aber das ist der Ausgangspunkt für mich gewesen. Ich weiß noch: ich stand an einem Fenster in Österreich und guckte auf einen Innenhof und plötzlich war dieses Gefühl da und ich hörte den Jungen in mir, habe mich hingesetzt und seine Gedanken protokolliert. Ich habe schon beim Schreiben gemerkt, dass das ein Text ist, der viel mit mir zu tun hat. Ich habe ihn zum Glück so weit von mir weg gekriegt, dass ich ihn nicht zu persönlich finde und er auf für Andere zugänglich sein dürfte.

Wie wichtig ist für dich die Verknüpfung von Literatur und Musik?
Grundsätzlich finde ich nicht, dass das stattfinden muss. Aber ich suche solche Verbindungen ja immer wieder, weil ich es selbst sehr genieße. Ich habe oft das Gefühl, dass die beiden Kunstformen sehr voneinander profitieren können. Im Idealfall profitiert die Musik von der besonderen Aufmerksamkeit, die bei Lesungen herrscht und die Literatur profitiert von der großartigen Sinnlichkeit, die von Musik ausgehen kann, die sofort und direkt auf fast jeden Menschen wirkt. Wenn man das Glück hat, dass die beiden Formen sich derart unterstützen, hat man wirklich eindrückliche und schöne Erlebnisse. Auf und vor der Bühne.

Was nimmst du selbst vom Projekt mit?
Mal sehen. Das Projekt ist ja noch längst nicht vorbei. Jetzt schon sagen kann ich: mal wieder tolle Leute kennen gelernt! War bisher vor allem menschlich eine tolle Bereicherung. Ich mag die Leute aus dem Ensemble und unsere Komponistin wirklich sehr! Die arbeiten alle auch noch einmal ganz anders als die Musiker, mit denen ich bis jetzt kooperiert habe. Ich bin echt gespannt, was letztendlich bei all dem herauskommen wird. Spannend ist auf jedenfall der für mich neuartige kreative Input und die künstlerische Offenheit meiner Mitstreiter. Ich bin neugierig auf ihre Arbeit und freue mich über das Geschenk, das mir da gemacht wurde, als ich gefragt wurde, ob ich mitmachen mag… (heimlich hoffe ich übrigens, dass wir das Projekt vielleicht auch noch mal außerhalb Berlins aufführen werden, vor allem fände ich es klasse, wenn ich so nochmal nach Island käme, wo das Ensemble ja überwiegend herkommt)

 

(Stand: April 2015)